Personalisierte Ernährung

Personalisierte Ernährung

Für jeden das richtige Essen

Unsere Gene sorgen dafür, dass wir unterschiedliche Veranlagungen haben – auch für bestimmte Krankheiten. Die jüngste Forschung ermittelt nun, wie man mit Hilfe einer genau abgestimmten Ernährung derartige Defizite mildern kann.

Von Klaus Jopp

“Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen”, verkündet eine viel zitierte Volksweisheit. Inzwischen liegt das Problem anders: Essen und Trinken sorgen vor allem bei immer mehr Wohlstandsbürgern der westlichen Industrienationen dafür, dass zumindest der Leib auseinander geht und die Seele sich nicht mehr wohl fühlt.

Der Anteil von Menschen, die einen Body-Mass-Index (BMI) von über 30 aufweisen, wächst unaufhörlich. Mediziner definieren Werte ab 30 wenig charmant als “fettleibig”, ab 35 beginnt gar der Bereich “krankhaft fettleibig”.

Spitzenreiter USA

Beim Spitzenreiter des Übergewichts, den USA, sind es bereits 31 Prozent, in Großbritannien 22 und in Deutschland auch schon elf Prozent, die zu diesen beiden Gruppen der Schwer- und Schwerstgewichte gehören – Tendenz: weiter steigend.

Aber es gibt auch Ausnahmen, die Hoffnung machen: In Japan, ausgerechnet im Land der verehrten Kolosse, der Sumo-Ringer, sind nur drei Prozent der Bevölkerung gesundheitsgefährdend übergewichtig, und auch die Schweizer Eidgenossen stehen mit sieben Prozent verhältnismäßig gut da.

Vielleicht lässt sich von deren Essverhalten etwas lernen? Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist jedenfalls eine richtige Ernährung. Das klingt banal, ist es aber nicht, denn sonst würden nicht so viele Menschen Fast Food – Hamburger, Fritten rot-weiß und braune Brause mit maximalem Zuckergehalt – bevorzugen.

Ein Baustein in diesem Sinne sind funktionelle Lebensmittel, die neben ihrem Nährwert einen Zusatznutzen bringen. Darüber hinaus sind sie ein Beitrag zu einer “personalisierten” Ernährung, die aus Sicht des Verbrauchers verschiedene Zwecke erfüllt. Die wichtigsten Kaufanreize sind die Prävention vor Krankheiten und ein Beitrag zur Erhaltung der Gesundheit, die Optimierung des Wohlbefindens und eine sichere Versorgung mit Nährstoffen.

Personalisierte Ernährung? Bedeutet das, dass wir in Zukunft unsere Lebensmittel in der Apotheke kaufen werden, in der ein fachkundiger Pharmazeut die Ingredienzien einer maßgeschneiderten Versorgung zusammenmixt wie früher Medikamente? Die Antwort lautet ja und nein. Ganz so schlimm wird es wohl nicht werden, aber künftig wird unsere genetische Disposition stärker als bisher beeinflussen, was wir essen – wenn wir uns denn darauf einlassen.

“Neue Erkenntnisse in der Forschung ermöglichen es, genetische Unterschiede im Hinblick auf nährstoffrelevante Stoffwechselprozesse im Körper zu erkennen”, erklärt Martin Jager, bei der  BASF AG in Ludwigshafen für das strategische Marketing Humanernährung verantwortlich.

Schon länger bekannt ist, dass auf Grund von einzelnen Genvarianten bestimmte Bevölkerungsgruppen eine Milchzucker-Unverträglichkeit aufweisen oder der Alkoholstoffwechsel anders abläuft. Das führt dazu, dass Asiaten nach ein, zwei Gläsern Sake oder Bier schon auffallend fröhlich werden.

Darüber hinaus hat man aber in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von inter-individuellen Unterschieden in Genen entdeckt, die auf verschiedene Bedürfnisse in der Ernährung schließen lassen. “Empfehlungen für eine optimale Nährstoffzufuhr fallen deshalb vermutlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich aus”, so Jager.

Andererseits hat die Wissenschaft erkannt, dass Nahrungssubstanzen ihrerseits unsere Gene beeinflussen, indem sie auf die DNA-Struktur, die Gen-Expression und/oder den Stoffwechsel wirken. Zudem spielen viele Gene, die mit der Nahrung in Zusammenhang stehen, bei der Entstehung von rankheiten eine wichtige Rolle.

“Eine optimale Ernährung sollte deshalb sowohl dem generellen Nährstoffbedarf als auch dem individuellen rnährungsstatus und Genotyp eines Menschen gerecht werden – das wäre dann in der Tat eine personalisierte Ernährung”, betont Clare M. Hasler, Direktorin des Robert Mondavi-Instituts für Wein- und Nahrungsmittelforschung der Universität von Kalifornien in Davis (USA).

Schon heute bieten erste Firmen Genprofil-Analysen an, auf deren Basis gezielte Empfehlungen zu verbessertem Lebensstil, optimaler Ernährung und Nahrungsergänzung gemacht werden.

So hat die BASF Venture Capital GmbH in das amerikanische Start-up Sciona (Boulder, Colorado) investiert, das erfolgreich ein Genprofil-Analyse-Kit für Verbraucher vermarktet. Der Kunde muss einen ausführlichen Fragebogen beantworten und zu dem eine DNA-Probe aus der Mundschleimhaut einschicken.

…, dass BASF-Forscher über das veränderte Erbgut von Ölleinpflanzen produzieren wollen.

Aus der Auswertung durch Experten lassen sich Ernährunsempfehlung-  und Verhaltensempfehlungen ableiten, die schriftlich an den Kunden übermittelt werden. In den Antworten finden sich eher allgemeine Anweisungen wie “Essen Sie mehr Obst und Gemüse” oder “Treiben Sie weiter so viel Sport wie bisher”, aber auch einige konkretere Hinweise wie “Weniger Koffein zuführen” und “Verbrauch von Omega-3-Fettsäuren aufrecht erhalten”.

Immerhin 99 Dollar muss man für das Kit hinblättern, das klar auf den amerikanischen Markt zugeschnitten ist. “Das Wissen um die richtige Ernährung ist bei uns nicht besonders ausgeprägt”, gesteht Expertin Hasler. Apropos Omega-3-Fettsäuren: Ohne Zweifel sind sie von hohem Nutzen für die Gesundheit.

Enthalten sind sie in fettreichen Fischen wie Lachs, Kabeljau, Dorsch und Schellfisch. Deshalb wurden früher vor allem Kinder mit Lebertran traktiert – manch einer wird sich aus bitterer Erfahrung erinnern, wie schrecklich der tägliche Löffel schmeckte.

Darüber hinaus sind die Meere ohnehin überfischt, so dass eine ausreichende Versorgung womöglich aller Menschen mit Omega-3-Fettsäuren auf diesem Wege ausgeschlossen ist.

Da sie essenziell sind, kann sie der menschliche Körper auch nicht selbst aus anderen Bausteinen herstellen, sondern muss sie mit der Nahrung aufnehmen. Deshalb arbeitet die BASF Plant Science, das Pflanzenbiotechnologie-Unternehmen der BASF, daran, diese wertvollen Verbindungen anders verfügbar zu machen. Die Idee ist so einfach wie schwer umzusetzen: Das Erbgut von Ölpflanzen soll so verändert werden, dass sie ein optimales Spektrum der Fettsäuren bilden.

Ausgangspunkt für diesen Weg war die Frage: Wie kommen die Fettsäuren in den Fisch? Lachs & Co. können die gewünschten Produkte ebenfalls nicht selbst herstellen, sondern fressen sie in Form von speziellen Tiefseealgen. Diese verfügen über bestimmte Enzyme (Elongasen und Desaturasen) als Helfer, um einfach ungesättigte Fettsäuren zu verlängern und dabei zusätzliche Doppelbindungen herzustellen.

Die Pflanze als “Fabrik”

Ziel der BASF war es nun, die Gene zur Bildung dieser Enzyme zu isolieren. Fündig wurde man bei Algen, Moosen und auch Pilzen. Allerdings müssen immer gleich mehrere Gene übertragen werden, um eine Pflanze wie etwa Raps oder Lein zur “Fabrik” für gesunde Fettsäuren zu machen.

“Wir haben es geschafft, drei der wichtigsten Fettsäuren in Pflanzen zu produzieren”, freut sich Petra Cirpus von der Lipidforschung der BASF Plant Science. Der Anteil der Arachidonund Eicosapentaensäure mit vier beziehungsweise fünf Doppelbindungen konnte bereits von null auf mehr als zehn Prozent gesteigert werden.

Der Hintergrund dafür: Je länger eine Fettsäure ist und je mehr Doppelbindungen sie enthält, desto gesünder ist sie. Die Vorteile für diesen Produktionsweg sind beeindruckend: Die Qualität ist hoch, weil die Öle schonend aus Samen gewonnen werden. Das Herstellungsverfahren ist umweltschonend und kostengünstig.

Schon heute werden Lebensmittel mit Omega-3-Fettsäuren ergänzt. Dazu zählen einerseits Milchprodukte wie Joghurt und Käse, andererseits Babynahrung, bei der die Supplementierung in den USA und in der EU bereits vorgeschrieben ist. Bis die “Fischsäuren” im Raps heranreifen, werden allerdings noch einige Jahre vergehen.

“Eine gentechnisch veränderte Pflanze oder ein Lebensmittel auf den Markt zu bringen dauert durchschnittlich zehn bis zwölf Jahre”, so Petra Cirpus. Hierin ist nicht nur die Zeit enthalten, um die richtigen Gene zu entdecken und zu übertragen, sondern auch die für den umfangreichen Genehmigungsprozess.

Diese Fettsäuren sind eine Art Aspirin der Natur, denn sie haben ein ganzes Bündel positiver Wirkungen: So senken sie das Risiko für Schlaganfall und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, indem sie den Blutfettspiegel mindern, wodurch eine Arterienverkalkung unwahrscheinlicher wird.

Nachgewiesen wurde auch, dass Omega-3-Fettsäuren positiv bei Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen wirken sowie entzündungshemmend sind. Bei ungeborenen Kindern und Säuglingen sind sie für die Entwicklung der Augen und des Nervensystems wichtig. Einige Mediziner haben sogar eine intelligenzsteigernde Wirkung bei Kindern festgestellt.

Keine Frage, die richtige Ernährung ist ein wichtiger Baustein für die Gesundheit. Die BASF leistet mit der Herstellung einer ganzen Reihe von essenziellen Nährstoffen dazu einen wichtigen Beitrag. Ansätze zu einer personalisierten Ernährung sind bereits erkennbar – “aber der Weg ist noch weit und wird zunächst vor allem für bestimmte Bevölkerungsgruppen, nicht für jeden Einzelnen, beschritten werden”, prognostiziert Jager.